Diesen Sommer hatte ich hier über drei Laborstudien berichtet, welche die Wirkung der Covid-Impfung auf das angeborene Immunsystem untersuchten. Die Studien kamen mit unterschiedlichen Methoden übereinstimmend zum Schluss, dass die Impfung die angeborene Immunantwort schwächt.

Kritik von Faktencheckern!
Ich erhielt sehr viel unterstützendes Feedback aber auch zwei kritische Antworten, denen ich hier gerne nachgehe. Die eine Kritik kam auf LinkedIn von einem Kollegen der vor Jahren meine Evidence-based-medicine-Kurse am Kantonsspital St. Gallen als Assistent besucht hatte. Er sei von mir enttäuscht, «er habe das Gefühl ich hätte meine hohen Standards etwas verlassen». Weiter fand er, ich würde die Studie benutzen, um ein gewisses Narrativ zu bedienen. Nun, Kritik von Kollegen ist das Beste, was passieren kann. Jede fundierte Kritik fördert die Debatte und Suche nach der Wahrheit. Das macht Wissenschaft so spannend. Dass ich ein «Narrativ bedienen» würde, fand ich allerdings etwas scharf.

Konkret hat der Kollege zwei Dinge an meinem Bericht kritisiert:

  1. Liu et al. würde nicht das aussagen, was ich beschrieben hätte.
  2. Die Studie von Noe et al. sei zu klein, hätte nur 8 Kinder vollständig untersucht und hätte nicht für repetitive Messung korrigiert.

Nun, ich hatte in meiner Kurzantwort eine Präzisierung erwartet, da ich a) auch bei erneutem Studium nicht sah, was an meiner Interpretation falsch war und b) die Studie primär den Abfall der Interferon-Antwort (und weitere Parameter) nach 4 Wochen an 28 Kindern untersucht. Ein absolut adäquates Studiensetting. Bei 8 Kindern wurde zusätzlich nach einem halben Jahr gemessen (mit gleicher Tendenz) aber das war nicht die Studienfrage.

Wissenschaftliche Diskussion braucht Zeit
Leider musste der Kollege mir vor wenigen Tagen mitteilen, dass er keine Zeit finde, sich noch einmal in das Thema einzulesen. Schade. Denn so kann ich seine pauschale Kritik, die Studie würde was anderes aussagen, nicht nachvollziehen. Interessierte finden die ganze Korrespondenz hier. Nur eines möchte ich festhalten: Ich versuche sehr bewusst, wissenschaftliche Daten von Narrativen zu trennen. Bitte senden Sie mir konkrete Hinweise, falls ich abdriften sollte!

Faktencheck aus dem Hause TA-Media
Die andere Kritik kam vom „Faktencheck von 20 Minuten“ am 13. September 23. Darin wird gesagt, dass zwei der angefragten Fachleute meinen Aussagen widersprochen hätten. Die beiden Experten waren ein Molekularbiologe in Berlin und ein nicht namentlich genannter Experte von Swissmedic. Die Autorin gab mir recht wenig Zeit zu antworten und hat mir auch nicht die ganzen Aussagen der «Experten» in deren Wortlaut vorgelegt.

Die Kritik – wonach Vernazzas Schlüsse unzulässig seien – lässt sich auf folgende Punkte eindicken:

  • Zitierte Studien würden nicht zeigen, dass das Immunsystem durch die Covid-Impfung gehemmt würde
  • Die Studien hätten lediglich Phänomene auf zellulärer Ebene im Labor aus Blut von geimpften Personen untersucht.
  • Man müsste schauen, ob Leute kränker werden, wenn sie sich infizieren, oder ob sie sich öfter infizieren
  • Es gäbe keine epidemiologischen Daten, welche auf klinische Effekte der Covid-19-Impfungen im Zusammenhang mit dem angeborenen Immunsystem hinweisen (Swisssmedic).
  • Die RSV-Welle bei Kindern habe nichts mit der Impfung zu tun, denn Kleinkinder sind praktisch nicht geimpft worden.

Gerne nehme ich hier zu den genannten Argumenten Stellung:

Punkt 1: Studien zeigen nicht Immunschwäche
Das ist korrekt. Und ich habe das auch nicht behauptet. Die zitierten Studien sind Laboranalysen welche nicht eine «Immunschwäche» dokumentieren. Die Studien zeigen einen möglichen, ja sogar sehr plausiblen Weg, wie die Impfung zu einer Immunschwäche führen könnte.
Ob die Impfung zu einer Immunschwäche führt, muss man mit epidemiologischen Beobachtungen von grösseren Bevölkerungsgruppen zeigen. Ein sehr deutliches Zeichen einer Immunschwäche ist das Auftreten von Gürtelrose (Herpes Zoster) nach Covid-Impfung. Alle praktizierenden Ärztinnen und Ärzte in meinem Bekanntenkreis berichten von einer deutlichen Häufung solcher Erkrankungen. Dass das eine klares Symptom einer Immunschwäche darstellt, wird wohl kein seriöser Immunologe abstreiten. Tatsächlich wurde bereits am 29. April 2021 ein Fall einer Gürtelrose publiziert. Diesen Sommer haben Florea et al eine grössere Analyse zum signifikant erhöhten Risiko einer Gürtelrose publiziert. Die Beobachtungen unserer Ärzteschaft werden somit wissenschaftlich bestätigt.

Swissmedic hat auf seiner Homepage am 22. April 2021 unter dem Titel: «Nebenwirkungen der Covid-19 Impfungen in der Schweiz – Update» (!) berichtet, dass 61 Fälle von Gürtelrose nach Impfung gemeldet wurden und dass dies noch weiter beobachtet werde. Leider wurde diese Analyse in den zweieinhalb Jahren, die seither verstrichen sind, nicht aktualisiert. Kein Wunder, dass Swissmedic auf 20 Minuten berichtet, es gäbe keine Hinweise auf eine Immunschwäche nach Impfung. Vigilanz hat mit Aufmerksamkeit zu tun. Unter Pharmacovigilanz verstehe ich etwas anderes.

Punkt 2: Nur Phänomene im Labor beschrieben
Korrekt. Das war die Absicht. Aber diese Laborphänomene bieten eine mögliche, sehr plausible Erklärung für die klinischen und epidemiologischen Beobachtungen.
Da die 20Minuten Faktencheckerin dies offenbar nicht verstanden hat, hier noch etwas ausführlicher:

Die angeborene Abwehr
Unser angeborenes Immunsystem hat über Jahrmillionen vielfältige Abwehrmechanismen entwickelt. Einer dieser Mechanismen betrifft die Abwehr von RNA-Viren (wie das Sars-CoV-2 eines ist). Zahlreiche Abwehrzellen tragen auf ihrer Oberfläche ein Molekül, welches jedes RNA-Virus erkennen kann. Diese Erkennung ist unspezifisch, also funktioniert prinzipiell bei allen RNA-Viren. Nach einem Kontakt eines RNA-Virus mit dem Rezeptor findet ein Prozess in der Zelle statt, welche die Produktion von Interferon stimuliert.
Interferon ist ein körpereigener Abwehrstoff, welcher sehr effizient Viren (und auch Krebszellen) abtöten kann.
Diese Stimulation von Interferon kann man heute im Labor simulieren. Man gibt eine Molekül, welches die Rezeptoren als «RNA-Virus» interpretieren, worauf die Zelle dann sofort beginnt, Interferon zu produzieren.

In den Laborexperimenten, über die ich berichtet habe, wurde genau das gemacht: Im Blut von Geimpften (oder ungeimpften Kontrollen) wurden Blutzellen genommen und untersucht, wie die Interferon-Antwort nach einem solchen «RNA-Virus»-Reiz ausfällt. Und diese Reaktion war nun signifikant schlechter nach der Impfung, ja sogar noch 6 Monate nach der Impfung.

Richtig ist, dass ich mit diesen Laborexperimenten nicht habe zeigen wollen, dass das Immunsystem durch die Impfung geschwächt wird. Was ich beschrieben hatte, war nicht ein messbarer Effekt der Impfung auf unser Immunsystem, sondern einen möglichen Mechanismus, wie eine negative Wirkung der Impfung auf das angeborene Immunsystem erklärt werden könnte.

Punkt 3. Mehr oder schwerere Infektionen bei Geimpften?
Swissmedic schrieb in der Kritik, man müsste schauen, ob die Leute kränker werden, wenn sie sich infizieren, oder ob sie sich öfter infizieren. In der Tat, man müsste das untersuchen.

Vielleicht genügt auch die Lektüre von Fachliteratur, so wie dies Martina Frei im Infosperber regelmässig macht. So hat sie kürzlich genau diejenigen Publikationen präsentiert, welche  Swissmedic offenbar nicht bekannt sind. Unter dem Titel: «Vierfach geimpft + genesen = mehr positive Corona-Tests» ist sie solchen Studien nachgegangen. Lesen Sie diesen Artikel von Dr. Frei und urteilen Sie selbst, ob meine von 20Minuten kritisierte Empfehlung «Stoppt den Booster» einfach nur ein dummes «Narrativ» sei. Sie werden erkennen, dass Martina Frei sorgfältig und kritisch arbeitet. Man erkennt die praktizierende Ärztin, der mit Sicherheit auch schon die Häufung von Gürtelrose-Fällen aufgefallen war, die bei Swissmedic noch unbekannt ist.

Tatsächlich liessen sich die von Martina Frei präsentierten Studien noch ergänzen. Vor einiger Zeit hat sie auch ausführlich darüber berichtet, dass bei Studien, welche eine Schutzwirkung des Boosters zeigen, tatsächlich aufgrund eines «healthy vaccinee bias» eher das Gegenteil zeigen.

Gerade diesen Monat haben Österreichische Forscher in einer bundesweiten Studie eine ähnliche Beobachtung dokumentiert: Erfasst wurde der Impfstatus und Verlauf bei allen rund 4 Millionen Personen in Österreich, die bis August 22 mindestens einmal eine dokumentierte Covid Erkrankung durchgemacht hatten. Die zentrale Frage war, wie der Verlauf war bei Personen die im November oder Dezember eine Vierte Impfung erhielten. Die Wirksamkeit der vierten Impfung wurde verglichen mit Personen, die nur drei (!) Impfungen hatten. Die vierte Impfung konnte die Mortalität nicht senken. Natürlich könnte es sein, dass hier einfach eine kränkere Population den vierten Booster erhielt. Aber interessant war, dass das Risiko einer Covid-Erkrankung nur im Dezember bis Januar 23 (um 10-20%) reduziert war. In den folgenden 5 Monaten war das Risiko einer Erkrankung jedoch massiv erhöht.

Spitalmitarbeiter erkranken häufiger je öfter geimpft
Das beobachtete Phänomen ist auch nicht neu. Bereits im April 23 beobachteten Autoren der Clevland Clinic ein Resultat, das sie als «counterintuitive» bezeichneten (Shrestha, 2023). Das geimpfte Spitalpersonal wurde häufiger krank, je öfter sie geimpft waren (s. Abbildung). Vielleicht müssen wir uns schon fragen, ob repetitives Impfen allenfalls sogar eine negative Wirkung haben könnte. Fragen stellen wird man noch dürfen.

Punkt 4: Keine epidemiologischen Daten vorhanden
Swissmedic argumentiert weiter, es gäbe keine epidemiologischen Daten welche einen Effekt auf das angeborene Immunsystem zeigen würden. Eine Epidemiologische Studie kann auch keinen Mechanismus nachweisen. Aber mindestens zeigen alle zitierten Studien, dass geimpfte eher einen schlechteren Verlauf zeigen. Vielleicht könnte das durchaus mit einer im Labor dokumentierten Schwächung des Immunsystems zu tun haben. Wer weiss?

Punkt 5: Kinder sind ja gar nicht geimpft worden
Völlig unverständlich ist hingegen die Kritik von Swissmedic auf 20 Minuten, wonach die RSV-Welle bei Kindern nichts mit der Impfung zu tun habe. Das hatte ich auch nie behauptet, weder in diesem Artikel noch sonstwo.
Tatsächlich hatte ich im Corona-Elefant auf Seite 171 die Hypothese aufgestellt, das fehlende Immunologische Training für die massive RSV-Welle verantwortlich sein könnte (siehe auch hier). Aber Impfung? Wäre schön, wenn Faktenchecker wenigstens meine Texte korrekt zitieren.

Quintessenz: ungenügend Evidenz für Booster Impfung!
Nun, ich bleibe nach diesen Überlegungen bei meinen Aussagen: Es gibt zahlreiche epidemiologische Hinweise, dass die Covid-Impfung die Infektabwehr schwächen könnte. Und die in meinem Artikel zusammengefassten Labordaten könnten durchaus einen Mechanismus darstellen, der einen Teil dieser Beobachtungen erklären kann. Selbst wenn die Laborstudien alle falsch wären, bleibt es bei den epidemiologischen Beobachtungen, die eine Häufung von gewissen Infektionen nach Impfung dokumentieren.

Damit muss ich die im Faktencheck erwähnte Kritik zurückweisen. Versöhnlich ist aber doch der letzte Satz der «Faktencheckerin» Fee Anabelle Riebeling: Einig sind sich die Parteien in dem Punkt, dass die in den Studien gewonnenen Erkenntnisse in weiteren Studien untersucht werden müssen. Das ist übrigens ein typischer Satz, mit dem die meisten Autoren ihre wissenschaftliche Arbeit abschliessen. Schliesslich wollen sie doch alle weiter forschen…

Vertrauen Sie den Faktencheckern?
Passend zu diesem Thema empfehle ich Ihnen den Artikel von Andrew Lowenthal auf Infosperber: «Die Branche der Faktenchecker ist gekauft und kompromittiert». Vielleicht verstehen Sie dann auch, weshalb ich mein TA-Abo längst gekündigt habe und das eingesparte Geld nun jährlich Infosperber spende. Falls Sie dies auch unterstützen wollen, hier der Link auf Spendenseite.

*Im Titel zitiere ich den britischen Mathematiker, Philosophen und Literatur-Nobelpreisträger Bernard Russell. Stöbern Sie in seiner Biographie, ein interessanter Mensch.

Foto von Agence Olloweb auf Unsplash