Wie im letzten Beitrag schon erwähnt, untersuchen wir im Zusammenhang mit Impfungen ganz allgemein lediglich die Antwort des spezifischen, erworbenen Immunsystems. Darunter verstehen wir den Aufbau von Antikörpern die spezifisch gegen den Infektionserreger gebildet werden. Manchmal wird auch die deutlich schwieriger zu messende zelluläre Immunantwort untersucht, meist in kleinen Probandengruppen. Beide Antworten sind sehr spezifisch. Das heisst, sie richten sich exakt gegen den Erreger (oder das Protein im Impfstoff). Die Reaktion des angeborenen Immunsystems ist wie dargestellt unspezifisch. Sie richtet sich gegen eine grosse Gruppe von Viren (z.B. RNA-Viren, so wie Grippe, Corona, RSV, etc.).

Meldungen über Häufung von Virusinfektionen
In den letzten Wochen haben wir in den Medien viel über eine Zunahme von Infektionskrankheiten mit anderen Viren der Atemwege gehört. Die NZZ schreibt  am 24.12.22  sogar, dass unser Gesundheitssystem am Anschlag sei. Die Mutmassungen von Experten zu den Gründen für diesen Anstieg von Influenza, RSV und weitere Viren lauten fast immer gleich: Wir hatten in den letzten Jahren immer Maske getragen, daher keinen Kontakt mit diesen Viren, also weniger Erkrankungen und dabei hätte das Immunsystem diese Viren vergessen. Jetzt sehen wir daher mehr Fälle (nachzulesen in Watson vom 15.12.22). Mein Kollege schreibt dort: «Das heisst, das immunologische Gedächtnis konnte nicht aktualisiert werden. Im Grunde ist es wie mit einem Update bei einem Computer.» Also auch hier wieder: Das erworbene Immunsystem (mit seinem lebenslangen Gedächtnis) ist schuld daran. Er geht dann auch weiter, indem er zum Schutz vor diesen Infektionen das Tragen einer Maske empfiehlt, denn das «Aussetzen» und «Abhärten», indem man diesen Viren wieder frei begegne, sei keine gute Idee.
Nun, auch hier wird wieder vom erworbenen Immunsystem gesprochen, von den Abwehrzellen und dem damit verknüpfen immunologischen Gedächtnis. Aber könnte es auch sein, dass nicht das erworbene Immunsystem, sondern das angeborene Immunsystem das Problem darstellt.

Virusinfekte trainieren das angeborene Immunsystem
Ist es denkbar, dass wir jetzt mehr erkranken, weil wir vor einem Jahr Masken trugen? Haben die Schutzmasken und «social distancing»-Massnahmen während der Coronapandemie nicht eher eine kurzfristige Folge auf das angeborene Immunsystem? Im Kapitel 14 des Corona-Elefant (S. 170f) haben wir bereits beschrieben (und entsprechend referenziert), dass das angeborene Immunsystem ein gewisses Training braucht. Jeder Kontakt mit einem Virus erhöht die Fähigkeit des Körpers, auf einen neuen Kontakt mit einem anderen Virus schneller und stärker mit dem Abwehrstoff «Interferon» zu reagieren. Wir sprechen von einer «trainierten» Immunität. Allerdings hält dieser Trainingseffekt nur wenige Monate an. Social Distancing hemmt dieses Training.

Nun, meine Leser*innen werden sich an meine Argumente erinnern, welche darauf hinweisen, dass vielleicht nicht das erworbene, sondern das angeborene Immunsystem für die erfolgreiche Abwehr dieser Infektionskrankheiten verantwortlich sei. Natürlich reduziert das erworbene Immunsystem und somit auch die Impfung den Schweregrad einer Erkrankung. Aber die Erkrankungshäufigkeit wird durch die Impfung oder eine durchgemachte Krankheit unwesentlich reduziert.

Natürlich wird jede Trainingseinbusse beim angeborenen Immunsystems dessen Fähigkeit, rasch mit Interferon zu reagieren, reduzieren. Und wenn wir ständig Masken tragen und kaum mehr Leute besuchen, dann reduzieren wir eindeutig den Viruskontakt und auch das immunologische Training. Daran ist nicht zu zweifeln. Doch können wir heute immer noch davon ausgehen, dass wir in einem solchen Zustand mit mangelndem Training sind? Das scheint mir sehr unwahrscheinlich. Schon lange trägt bei uns kaum jemand eine Schutzmaske. Und die Zeit des Social Distancing ist vorbei. Wir vergnügen uns wieder im Ausgang, würden – hätten wir Schnee – sogar Skilaufen, ja die Zeit der Isolation ist schon längst vorbei. Vielleicht müssen wir uns fragen, ob nicht auch andere Gründe für ein schlechter funktionierendes, angeborenes Immunsystem verantwortlich sein könnten.

Viele Faktoren beeinflussen das angeborene Immunsystem
Wir haben im letzten Beitrag den unterdessen gut belegten Effekt eines hohen Vitamin-D Spiegels und auch die Gabe von Vitamin D diskutiert. Gut möglich, dass auch Ernährung, Bewegung und weitere Faktoren eine Rolle spielen. Aber weshalb sollten diese Punkte gerade jetzt sich so stark abweichen von früheren Jahren.

Könnte es sein, dass auch die breit durchgeführten Covid-Impfungen einen negativen Effekt auf die angeborene Immunantwort haben? Die Frage müssen wir uns stellen, da wir aus früheren Impfkampagnen wissen, dass Impfungen abgesehen von Ihren präventiven Effekten zur gezielten Verhinderung einer Krankheit auch weitere, sogenannt unspezifische Effekte haben können. Diese können sowohl Vorteile als auch Nachteile bringen. Die erste solche Überraschung publizierte vor über 20 Jahren Peter Aaby aus seinen Beobachtungen bei Masernimpfkampagnen in Guinea-Bissau (Aaby, 1995). Die Reduktion der Sterblichkeit nach Impfung war grösser als man durch die Anzahl verhinderten Masern-Todesfälle hätte erwarten können. Das Team fand dieselben Beobachtungen bei anderen Lebendimpfstoffen, insbesondere BCG und Polio (Benn, Review 2013). In der Folge haben sie dann bei Totimpfstoffen (Diphterie, Tetanus, etc.) einen negativen Gesamteffekt der Impfung auf die Gesamtpopulation beobachtet (Aaby 2012). Die Autoren vermuteten einen unspezifischen Effekt auf das angeborene Immunsystem.

Impfungen beeinflussen das angeborene Immunsystem
Christine Benn hat sich in den letzten 15 Jahren zusammen mit Peter Aaby diesen Zusammenhängen gewidmet und fand immer wieder die gleichen Effekte: Lebendimpfungen hatten einen positiven, Totimpfstoffe einen negativen Effekt auf das Gesamtüberleben (Benn, 2016). Sie haben auch vorgeschlagen, dass man diese Erkenntnisse für die zeitliche Planung von Impfplänen bei Kindern einbezieht. In den letzten Jahren konnten sie und weitere Autoren dieser hoch-spezialisierten Expertengruppe zeigen, dass sie Stimulation des angeborenen Immunsystems durch Lebendimpfstoffe, z.B. Tuberkulose (BCG) sogar einen positiven Einfluss auf den Verlauf der Covid-Infektion hat. Diese Erkenntnisse haben Peter Aaby und Christine Benn zusammen mit einem weiteren Experten des angeborenen Immunsystems (Mihai Netea) aus Holland in einem spannenden Review soeben publiziert (Aaby, Lancet ID, Jan 2023).

Auch mRNA Impfstoffe sind tot-Impfstoffe
In einer Analyse aller randomisierten Covid-Impfstudien fanden Benn et al eine Überraschung, die zu diesen Erfahrungen passt (Benn, pre-print, 2022): Untersucht man nicht nur die Covid-Mortalität nach der Impfung (versus Placebo), so wird der positive Effekt (relatives Risiko unter 1 in Tabelle links) bei Einbezug der Gesamtmortalität (Tabelle rechts) wieder aufgehoben. Dieser Unterschied findet sich NICHT bei den Adenovirus-Impfstoffen.

Die Studie ist erst als pre-print publiziert aber im Kommentar sehr aktiv diskutiert. Natürlich erschwert die geringe Mortalität bei diesen Impfungen die Interpretation. Doch auffallend ist doch, dass der Einbezug der Gesamtmortalität bei den Vektorimpfstoffen (johnson&Johnson oder AstraZeneca) keinen Unterschied zeigte (untere Zeile).

Auch wenn die Zahlen klein sind, bei all den über Jahrzehnten erlangten Erkenntnissen zu nicht-spezifischen (positiven oder negativen) Effekten von Impfungen sollten wir diesen Fragen doch etwas genauer nachgehen. Basierend auf den geschilderten Erkenntnissen der letzten 20 Jahre wäre es ja mindestens denkbar, dass die Covid-Impfung unsere angeborene Immunantwort für eine noch unbekannte Zeit abschwächt.

Laborresultate helfen weiter
Nun, es gibt tatsächlich einige experimentelle Hinweise auf einen möglichen Effekt der mRNA-Impfung auf die angeborene Immunität. Die bereits erwähnte Gruppe von Netea hat im Laborexperiment Immunzellen von geimpften Personen drei Wochen nach Impfung untersucht (Föhse pre-print 2022). In diesem pre-Print zeigen die Autoren eine signifikante Reduktion der Interferon-Antwort. Verglichen hat man die Antwort der Zellen vor der Impfung mit denjenigen nach der Impfung. Dabei zeigte sich, dass die Fähigkeit der Zellen, auf ein RNA-Virus zu reagieren, nach der Impfung signifikant abfiel. Da die Studie seit über anderthalb Jahren online aber nicht publiziert ist, habe ich Netea kontaktiert: Offenbar haben die Reviewer kritisiert, dass die Autoren nur die Immunantwort drei Wochen nach Impfung untersucht haben. Netea will nun anfangs 2023 eine erweiterte Arbeit publizieren, in der ein längerer Verlauf der Impfwirkung auf das angeborene Immunsystem untersucht wird.

Falls sich in dieser angekündigten Analyse zeigen sollte, dass die Schwächung des angeborenen Immunsystems länger als nur drei Wochen dauern sollte, müssten wir einige Hypothesen doch ernst nehmen:

  • Haben mRNA-Impfstoffe wie andere Totimpfstoffe auch einen negativen Effekt auf das angeborene Immunsystem?
  • Könnte die Häufung der in den Medien berichteten Virus-Infektionen Folge sein einer Schwächung des angeborenen Immunsystems durch Covid-(Booster-)Impfungen?

Wir sind gespannt, was uns das nächste Jahr noch alles bringen wird. Doch unsere früher gemachte Aussage (22.11.22), wonach die Booster Impfung – insbesondere bei Menschen unter 50 – wohl kaum indiziert ist, scheint sich je länger je mehr zu bestätigen.

Eine Abbildung die zum Nachdenken zwingt
Zum Abschluss möchte ich noch auf eine interessante Studie (Shrestha et al, 19.12.22) hinweisen. Auf Twitter wird dort aktiv untenstehende Grafik aus dieser Arbeit diskutiert. In dieser Untersuchung der Cleveland Clinic (Ohio, USA) wurden Klinikmitarbeiter während der Covid-Pandemie verfolgt. Ziel der Untersuchung war die Wirksamkeit der Impfung des neuen bivalenten Impfstoffes zu untersuchen. Es ging also nur um Infektionen, die nach dem 12.9.22 auftraten. Die Analyse ist recht komplex, weil hier Personen mit unterschiedlichem Impfstatus und unsicheren Angaben zu früheren Covid-Erkrankungen vorlagen. Unter Berücksichtigung all der komplexen Rahmenbedingungen kommen die Autoren zum Schluss, dass die Impfung bestenfalls eine Impfwirkung von 30% hatte.

Doch erwähnenswert ist die untenstehende Abbildung aus der Arbeit: Hier wurde das Auftreten (Inzidenz) einer Covid-19 Erkrankung nach dem 12.9.22 über die Zeit aufgetragen, aufgeschlüsselt nach Anzahl bisheriger Impfungen.

Wie man sieht, war in dieser Studie das Covid-Risiko höher, je öfter eine Person geimpft wurde. Die Autoren bezeichneten dieses Resultat als «counter-intuitive» und sie diskutierten viele Gründe (z.B. unterschiedliches Risikoverhalten in den Gruppen) welche dieses Resultat erklären könnten. Was sie nicht diskutieren, ist die Möglichkeit, dass die Impfung zu einer Hemmung der angeborenen Interferon-Antwort führen könnte….

Wer weiss, vielleicht werden wir bald schon mehr darüber berichten können.

Wir bleiben dran….
Ich wünsche Ihnen in diesem Sinne einen guten Start im neuen Jahr und weiterhin einen aktiv aufmerksam-kritischen Blick.

Es guets Nois!

 

 

 

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