Ein überraschendes Resultat aus einer Isländischen Kohortenstudie lässt uns aufhorchen. Thema: Covid-Reinfektionen. Worum es geht: Die meisten Leser kennen das Phänomen: Eine deutliche Häufung von Covid-Fällen während der „Omicron“-Periode. Jede und jeder kennt wohl im eigenen Umfeld mehr als eine Person, welche trotz Booster-Impfung bereits zum zweiten Mal eine Covid-Erkrankung durchgemacht hat. Mir berichten jedenfalls viele Personen solche Verläufen.

Zweitinfektionen recht häufig
Aufgefallen ist mir in meinem Umfeld, dass recht viele Personen trotz einer Booster-Imfpung wieder krank wurden. Ja, es gab auch Fälle wenige Tage oder Wochen nach der dritten Impfung. Fast könnte man vermuten, dass die erneute Impfung unsere Abwehr schwächen könnte. Theoretisch ist dies nicht so abwegig, denn wir wissen schon seit Jahren, dass Schutzimpfungen, insbesondere „Totimpfstoffe“ auch negative Effekte auf das Immunssystem haben können (Abegaard et al, 2011)*. Kürzlich hat Christine Benn, die seit Jahren die unspezifischen . Effekte von Impfungen untersucht, basierend auf den Studiendaten von randomisierten Covid-Impfstudien vermutet, dass die mRNA-(Tot-)Impfstoffe aufgrund unspezifischer Effekte anderen (Lebend-)Impfstoffen (z.B. Vektor-Impfstoff) unterlegen sein könnten (Benn, 2022). Denn Impfstoffe können auch das angeborene oder das erworbene Immunsystem auf eine nicht spezifische Art, beeinflussen. Die Wirkung hat dann keinen direkten Zusammenhang mit dem Eiweiss, gegen welches man eine Impfantwort aufbaut.

mRNA-Impfungen hemmen die Virusabwehr durch Interferon
Vor einem Jahr hat eine Laborgruppe aus Nijmegen (Föhse et al, medRxiv – 6.5.21) dazu eine interessante Beobachtung publiziert: Die Autoren untersuchten im Blut von geimpften Personen die Fähigkeit des angeborenen Immunsystems, auf eine Virusinfektion eine Antwort aufzubauen. Die wichtigste Antwort dieser Immunzellen ist die Produktion von Interferon, einem potenten Virusabwehrstoff. Die Autoren fanden tatsächlich, dass drei Wochen nach der Impfung , die Fähigkeit der Immunzellen „unspezifisch“ auf Virusangriffe zu reagieren, reduziert war. Das heisst, wenn man diese Zellen drei Wochen nach der Impfung im Labor mit einem „RNA-Virus“ stimmuliert, so fällt die angeborene Immunantwort schwächer aus als vor der Impfung. Leider wissen wir nicht, wie lange diese hemmende Wirkung auf die Interferon-Produktion im angeborenen Immunsystem ausfällt. Aber sicher muss man solche Effekte sorgfältig beobachten und für die Planung einer Impfstrategie einbeziehen.

Isländische Daten mit überraschendem Resultat
Ein Laborexperiment beweist alleine noch nichts. Doch kürzlich ist eine Kohortenstudie zur mRNA-Covid-Impfung erschienen, die uns doch aufhorchen lässt (Eythorsson et al, 4.8.22, JAMA NetwOpen): Die Autoren haben in Island gut 11’000 Personen beobachtet, welche schon vor Dezember 21 einmal eine Covid-19 Infektion hatten. Nun wurden diese Personen während der „Omicron-Phase“ in Island beobachtet (1.12.21 -13.2.22). Es war eine mehrheitlich jüngere Population, die Hälfte war weniger als 31 Jahre, 10% über 50 Jahre alt. Insgesamt hatten von all diesen Personen mit Zustand nach durchgemachter Covid-Infektion dann doch noch 11% eine Zweitinfektion während den ersten 10 Wochen der Omicron-Welle. Das ist doch sehr beenidrucken, gehen wir doch davon aus, dass eine durchgemachte Infektion der beste Schutz vor einer Re-Infektion bietet. Doch gut die Hälfte dieser erst-Infektionen lag bereits mehr als 9 Monate zurück, sodass wir in diesen Situatione schon aufgrund des veränderten Virus (Hintergrund Immunsystem, s. u.) eine Zweitinfektion gut erklären können.

Überraschend war aber, dass Personen, welche sich mehr als einmal gegen Corona impfen liessen, ein signifikant höheres Risiko hatten, sich ein zweites Mal mit Corona anzustecken, als Personen, welche nicht oder nur einmal geimpft wurden. In der untenstehenden Abbilung ist dies exepmparisch für die 18-29-Jährigen gezeigt. Die Infektionsrate (Y-Achse) ist höher, je weiter die Erstinfektion zurückliegt; aber sie ist auch signifikant höher bei den Personen, die mindestens zwei Impfdosen erhileten (braune Kurve, schraffiiert Vertrauensintervall).


Das Resultat dieser Studie ist doch sehr interessant. Zunächst einmal war die Gruppe der 18-29-jährigen am meisten von einer Re-Infektion während der Omega-Welle begroffen. Dies haben wir auch bei uns in der Schweiz beobachtet. Dies ist auch der Grund, weshalb der Unterscheid in dieser Altersgruppe am deutlichsten ausfällt. Die Gruppe der >50-jährigen hatte rund 65% weniger Zweitinfektionen. Diese Studie war auch nur dehalb möglich, weil in der untersuchten Kohorte nur rund ein Viertel der Probanden überhaupt einmal geimpft wurden. Tatsächlich muss man sagen, dass es für eine junge Person unter 30 Jahren, die bereits eine Krankheit durchgemacht hatte, nicht wirklich eine gute Argumentation gibt, sich impfen zu lassen, es sei denn sie braucht dies wegen Reisen oder ähnlichen Auflagen.

Kommentar:
Die Autoren betonen, dass man dieses Resultat vorsichtig interpretieren soll. Dem kann ich immer zustimmen, gilt sicher für jede Studie, die nicht durch andere Daten unabhängig bestätigt wurde. Doch zusammen mit den weiter oben geschilderten Laborbefunden eines geschwächten natürlichen Abwehrsystems (Interferon-Antwort) kurz nach der Impfung, müssen wir uns schon überlegen, ob wir wirklich so viel gute Gründe haben, unseren jungen Menschen nun mit Nachdruck immer wieder erneute Impfungen zu empfehlen. Jede medizinische Intervention, auch jede Impfung, hat das Potential von Nebenwirkungen. Daher sollte man für jede Empfehlung einer Impfung recht gut Nutzen und Risiko abwägen.

Ich werde in einer Folgenden Serie noch ein paar Überlegungen zu den sehr verbreiteten Booster-Empfehlungen anstellen. Für den Moment möchte ich es aber damit bewenden lassen, dass es sich einmal mehr zeigt, dass man medizinische Massnahmen immer gut überprüfen muss. Es kann auch sein, dass wir etwas, was wir heute empfehlen, morgen wieder anders sehen. Daher ist es immer wichtig, aufmerksam zu bleiben. Die hier geschilderten Befunde könnten tatsächlich ein Hinweis darstellen, dass eine Booster Impfung, mindestens bei Menschen unter 50 Jahren nicht nur unnötig ist, ja sie könnte auch ein höheres Erkrangungsrisiko beinhalten.

 

Im Folgenden noch ein kurzer Abschnitt zu den Imunologischen Hintergründen, weshalb Zweitinfektionen anders verlaufen:

Zweitinfektionen verlaufen in aller Regel mild
Viel berichten heute, dass Omicron ein milderes Virus sei. Daten dazu sind spärlich, es ist allerdings auch nicht zu erwarten. Viel wichtiger ist unser Immunsystem. Wie wir alle wissen, führt eine durchgemachte Infektion zu einer sehr effizienten Vorbereitung des zellulären Immunsystems: Die Zellen erkennen bei einer Zweitinfektion das Virus sehr schnell und bauen rasch eine Abwehr auf, welche die infizierten Zellen zerstört. Dies ist  der Grund, weshalb die zweite Infektion in der Regel sehr mild verläuft. Wichtig ist dabei, dass das zelluläre Immunsystem das Virus auch dann noch gut erkennt, wenn es sich um einen neuen Unterstamm, so wie „Omicron“ handelt. Im Gegensatz zu den Antikörpern, welche sehr gezielt eine Ansteckung mit dem gleichen Virus verhindern können (sogenannte „sterilsierende Immunität“). Doch das Virus entweicht diesen Antikörpern, indem es seine Beschaffenheit der Bindungsstelle des Virus an der Zelloberfläche verändert.
Die Veränderung des Virus über die Zeit ist die zwingende Folge unserer Antikörperbildung: Eigentlich ein völlig natürlicher, voraussehbarer Prozess (siehe zum Phänomen „Selektionsdruck“ Kapitel Medizinische Grundlagen im Corona-Elefant, Seite 140f.). Mit anderen Worten: Das Virus verändert sich laufend. Dies führt dazu, dass es nach einiger Zeit wieder zu einer Infektion führen kann. Das ist bei Coronaviren seit Jahrzehnten so. Doch die Re-Infektionen verlaufen in aller Regel milder. Erst im hohen Alter, wenn das angeborene Immunsystem stark geschwächt ist, werden schwere Infektionen wieder häufiger.

Aritkel wird auch auf infekt.ch publiziert

*Ergänzung 6.9.22:
Ein Leser fragt nach, weil er den Zusammenhang mit der zitierten Arbeit nicht nachvollziehen kann. Das ist in der Tat nicht so einfach. Eine sehr gute, verständliche Erklärung der ganzen Zusammenhänge findet sich im TED-talk von Christine Benn vom Januar 2019. Benn gehört zu den wenigen Forschergruppen, welche seit vielen Jahren die unspezifischen Effekte von Impfungen systematisch erforscht. Dabei erkennt man, dass das angeborene Immunsystem dabei eine wichtige Rolle spiel. Ich empfehle den ca 20-Minütigen TED-Talk von C. Benn sehr (Englisch, deutsche Untertitel).