Seit vielen Jahren beobachten wir bei vielen Infektionskrankheiten einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Vitamin-D Spiegel im Blut und dem Verlauf der Infektionskrankheit. Ein höherer Vitamin D Spiegel war dabei immer vergesellschaftet mit einem geringeren Erkankungsrisiko oder einem besseren Verlauf der Erkrankung. Den Zusammenhang hatten wir schon gesehen bei Tuberkulose, bei Hepatitis C ja sogar bei HIV. Doch immer wieder wurde darauf hingewiesen, dass bisher keine Studie hätte zeigen können, dass die Gabe von Vitamin D, also die sogenannte „Substitution“ das Risiko einer Covid-Erkarnkung (oder den Verlauf) beeinflussen würde.
Dies ist in der Tat seltsam. Denn Vitamin D hat eine wichtige Aufgabe bei der Stärkung des angeborenen Immunsystems (also nicht Antikörper und T-Zellen, sondern die Interferon-Antwort bei Kontakt mit einem Virus). Aber natürlich kann man sich vorstellen, dass ein anderer Faktor für den guten Verlauf der Infektionen verantwortlich sein könnte, der vielleicht auch den Vitamin D-Spiegel beeinflusst (sog. „Confounding“). Wir erinnern uns aber auch an das Wunder zu Elgg, einem Covid-Ausbruch in einem Pflegeheim: 56 Bewohner erkrankten, viele hochbetagt. Und doch keine schweren Verläufe oder Todesfälle. Damals schon haben Einige vermutet, dass der gute Verlauf mit der regelmässigen Abgabe von Vitamin D an die Bewohner in diesem Heim zu tun haben könnte, doch sogar die Covid-Taskforce riet von einer Prophylaxe mit Vitamin D ab (Blick 12.10.20: „Seife schützt mehr als Vitamine).
VA-Studie zeigt eindeutige Resultate
Nun beendet eine kürzlich im Nature-ScientificReports publizierte Studie (Gibbons et al, 10.11.22) der Veterans Administration (VA) sehr eindeutig die ewige Diskussion zur Nützlichkeit der Vitamin-D Substitution zur Stärkung des Immunsystems. Die VA ist die „Krankenkasse“ der (ehemaligen) Armeeangehörigen. Die Autoren haben in einer retrospektiven Analyse alle Daten der VA verwendet. Einbezogen in die Analyse hatten sie alle Versicherten, bei denen zu Beginn der Covid-Epidemie (oder vorher) ein Vitamin-D Blutwert bekannt war. Mit den vorhandenen Rezept-Informationen konnte man untersuchen, wer mit Vitamin D behandelt wurde und wer nicht. Auch die Dosierung wurde erfasst und auch ob Vitamin D2 oder D3 verwendet wurde. Für die weitere Diskussion konzentriere ich mich nur noch auf die Vitamin D3 Resultate. Eine Vitamin-D2 Gabe war insgesamt seltener und die Effekte geringer.
Nun hat man aus den vorhandenen Krankheitsdaten analysiert, wer je an Covid erkrankte** und wer an Covid verstarb. Analysiert wurde auch die Zeit ab Corona-Diagnose bis zum Tod. Die Studie dauerte von März 20 bis Ende 2020, also sie betrifft die Zeit mit dem höchsten Mortalitätsrisiko vor der Impfung.
Die Resultate können wie folgt zusammengefasst werden:
- Das mittlere Alter der untersuchten Personen war bei rund 64 Jahren, rund 220’000 wurden mit D3 behandelt. Die „Kontrollgruppe“ setzte sich aus den 408’000 Personen zusammen, die kein Vitamin D erhalten hatten. Ein Vitamin D Mangel war häufiger bei den Behandelten (50%) als bei den Kontrollen (34%).
- Um für die unterschiedlichen Risiken zu kontrollieren, wurden „gleiche Paare“ von behandelten und unbehandelten Personen gebildet (sog. „matching“). Zwei Personen eines solchen Paares hatten unter Berücksichtigung von 15 Risikofaktoren ein ähnliches Covid-Erkrankungsrisiko. Insgesamt konnten so knapp 200’000 vergleichbare Paare gebildet werden.
- Insgesamt erkrankten** unter den je 200’000 Personen 3.30% der unbehandelten und 2.66% der mit Vitamin D3 behandelten Personen mit ähnlichem Erkrankungsrisiko (Risikoreduktion 20%)
- Ein Todesfall innert 30 Tagen nach Covid-Diagnose trat bei 0.35% respektive 0.23% auf (unbehandelt vs. behandelt, Risikoreduktion 33%).
- Der Einfluss der Vitamin-Gabe war grösser bei Personen, die zu Beginn der Studie einen tiefen Vitamin-D Blutwert aufwiesen
- Es zeigte sich eine deutlicher Dosiseffekt: Die Gruppe mit der höchsten Dosierung, profitierte am meisten von der Behandlung. So wurde das Covid-Risiko in der Gruppe mit der höchsten Dosis um 37% gesenkt.
- Am meisten profitiert haben somit Personen mit klarem Vitamin-D Mangel welche die höchste Vitamin-D Dosis (50’000 E.) erhielten, die Autoren errechnen für diese Gruppe (Vorsicht, Schätzung!) eine Halbierung des Covid-Risikos.
Welche Konsequenzen haben diese Resultate für uns?
Diese Resultate sind recht eindrücklich. Natürlich werden Sie nun fragen, ob die Risikoreduktion von 37% bei so geringen Zahlen überhaupt relevant sei. Natürlich muss man die sog. „number needed to treat“ miteinbeziehen. Das heisst, damit jemand überhaupt von einer solchen Behandlung profitieren kann, müssen sehr viele Personen diese Vitamin D Prophylaxe einnehmen. Wir müssen also das Risiko, dass überhaupt eine Covid-Erkrankung auftritt, einbeziehen. Und während der Studienzeit war dieses mit rund 3% relativ gering.
Grob geschätzt können wir sagen: wir müssen rund 150 Personen mit Vitamin D behandeln, um eine Covid Infektion zu verhindern. Um einen Todesfall zu vermeiden, braucht es 830 prophylaktische Vitamin D Behandlungen (100 : {0.35%-0.23%}). Natürlich muss man auch Kosten und Risiken berücksichtigen: Eine hohe Dosis Vitamin D3 kostet ca. 50 CHF pro Jahr***. Damit kostet ein verhinderter Todesfall doch auch 50’000.- Franken. Das ist nicht wenig. Es gibt auch günstigere Formen von Vitamin D. Aber es ist davon auszugehen, dass die Vitamin-D3 Gabe noch sehr viel weitere positive Wirkungen hat. Sie verhindert auch andere Infektionskrankheiten, reduziert den Knochenabbau und ja, sie reduziert auch das Herzinfarktrisiko. Und gemäss unserem heutigen Stand des Wissens, ist bei einer täglichen Dosis von 4000 E Vitamin D3 kein Risiko zu erwarten (Johnson et al, Nature 2022).
Auch eine vorgängige Vitamin D Bestimmung ist nicht notwendig, von regelmässigen Kontrollen ist aus Kostengründen gänzlich abzuraten. Der Vitamin-D Blutwert ist von genetischen Faktoren abhängig. Wer einmal im Leben eine (nicht billige) Vitamin D Bestimmung durchgeführt hat, kann davon ausgehen, dass dieser Wert auch für den Rest seines Lebens im gemessenen Bereich („Mangel“, „unterhalb Norm“, „normal“) bleiben wird.
Vitamin D Substitution – Verpasste Chance
Die Autoren berechnen basierend auf ihren Resultaten, wie viele Todesfälle man in den USA hätte vermeiden können, wenn man zu Beginn der Pandemie – wie im Altersheim Elgg – grosszügig eine Vitamin D Gabe propagiert hätte. Allein für das Jahr 2020 schätzen sie, dass man 4 Millionen Covid-Erkrankungen und 116’000 Todesfälle hätte verhindern können. Doch die Behörden der USA wie auch in der Schweiz trauten sich nie eine entsprechende Empfehlung zu machen. Auch die Medien verhielten sich diesbezüglich sehr zurückhaltend, wie Werner Vontobel im „Corona-Elefant“ beschreibt (S. 42): „Zweitens sind die Medien mit daran schuld, dass der Einsatz von Hausmitteln, die sich gegen normale Grippen bewährt hatten (Vitamin C und D, Zink, Echinaforce, Gurgeln mit Listerin etc.) von Anfang an verpönt war.“ Weiter unten beschreibt er dann auch (S.47) wie die Taskforce des Bundes die entsprechende Empfehlung der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung torpedierte.
Im Nachhinein bin ich froh, dass ich in meinem persönlichen Umkreis immer wieder darauf hinwies, dass ich zwar keine gute Evidenz für die Vitamin D Substitution hätte, doch dass die gesammelten Erfahrungen und das vernachlässigbare Risiko der Massnahme für deren Einsatz sprechen. Heute darf ich Ihnen diese Empfehlung nun auch mit guter Evidenz aussprechen. Und es ist zu wünschen, dass auch andere Alters- und Pflegeheime sich die Frage der Vitamin-D-Prophylaxe stellen und mit ihren Heimärzten besprechen.
Wie soll ich Vitamin D einnehmen?
Wie erwähnt, zeigen nun schon mehrere Studien, dass Dosierungen mit 4000 E Vitamin D kein Risiko beinhalten. Basierend auf diese VA-Studie und weiterer Daten würde ich eine Tagesdosis von 4000 E Vitamin D3 empfehlen. Leider ist bei uns eine Abgabe über der empfohlenen Tagesdosis von 1000 E. rezeptpflichtig. Ich zweifle aber nicht, dass ihre Hausärztin Ihnen ein solches Rezept abgibt. Ob man auch bei Gaben von Mega-Dosen Vitamin D (z.B. 300’000 E /ml Einmalgabe) die gleichen Resultate erreicht, können wir nicht sagen.
Und weiterhin danke ich für Ihr Feedback
Ihr kritisches oder lobendes Feedback freut mich immer: covid@vernazza.ch. Korrekturvorschläge nehme ich gerne auf!
**NACHTRAG 29.11.22
Ein kluger Freund und ausgewiesener Fachmann meldet mir, dass ich fälschlicherweise von verhinderter Infektion (statt „verhinderte Erkrankung“) pro 150 Behandlungen schrieb. Tatsächlich etwas unklar: Im Methodeteil sprechen die Autoren von PCR-Diagnosen (also „Infektionen“), bei den Resultaten von „Covid-19 rates“. Vermutlich sind es am Ende schon „Infektionen“. Insofern ist die formulierung „erkranken“ im Text mit vorsicht zu geniessen.
Ferner weist er mich darauf hin, dass die Autoren von „association“ sprechen und auch möglichen Bias diskutieren. Auch das korrekt, es ist nicht eine randomisierte kontrollierte Studie. Dennoch, nach Kontrolle für alle bekannten Einflussfaktoren blieb der Effekt signifikant.
Es freut mich immer, wenn unsere Leser so genau hinschauen.
***Nachtrag 16.3.23: Kosten Vitamin D
Ich beziehe seit der Publikation dieses Artiklels das Vitamin D nun in der Schweiz in einer Familienpackung mit 1750 Tropfen à 5000 IE. Jahreskosten pro Person: CHF 5.-.
2 Comments
Stark der Artikel von ihnen. Wie immer auf eine positive Art sind sie für ihre/unser Wohlergehen auf eine klare Art streitbar.
Danke sehr für den Vortrag . Ich habe mich nicht impfen lassen. Ich war überzeugt von den Bedenken von Dr. Jo Marty. Ich nehme nun täglich Schwefel, Zink und Calcium. Ich hatte eine schwache Covid Erkrankung im vergangenen Frühling, von der ich mich wieder gut erholte. Ich bin 83 Jahre alt und arbeite immer noch als Polaritytherapeutin, dh. mit Energieausgleich im Körper.