To boost or not to boost, das ist die Frage in diesen Tagen! Viele meiner Freunde wollen wissen, ob sie sich nun im Herbst noch einmal boostern lassen sollen. Nun, auf diese Frage eine gute, fundierte Antwort zu haben, ist schwierig. Ich werde im Folgenden meine Überlegungen dazu auslegen. Doch meinen besten Freunden in meinem privaten Umfeld sage ich sehr klar: «Bitte kein Booster, wir wissen noch zu wenig!». Im Folgenden werde ich hier die Kernpunkte meiner Sorge wegen der Booster-Impfung darlegen.

Ich bedanke mich, wenn Sie mir die Länge des Artikels nicht übelnehmen. Es ist kompliziert. Und noch ein Hinweis: Bitte melden sie sich mit einem Kommentar (am Ende des Artikels) wenn Sie einen Fehler finden, etwas unklar ist oder Sie anderer Meinung sind. Nur die wissenschaftliche Auseinandersetzung bringt uns weiter (für die Kommentare ist eine Anmeldung erforderlich).

Die Zeiten ändern sich
Ganz klar: Bei der Einführung der Covid-Impfung befürwortete ich die Grundimmunisierung dezidiert. Also die zweimalige Impfung für Personen, die noch nie erkrankt waren. Allerdings nicht für junge Menschen. An Vorträgen – so auch an der Vernissage zum Corona-Elefanten* – hatte ich immer gesagt, dass eine Nutzen-Risiko Abwägung bei über 50-jährigen klar für eine Impfung spricht.

Bei Kindern und Jugendlichen war ich ebenso entschieden gegen eine Impfung, einfach weil wir noch zu wenig Erfahrung hatten und die Covid-Erkrankung in diesem Alter – anders als bei einer «Kinderkrankheit» – kein relevantes Risiko darstellt. Zudem hatten wir keine Daten, welche die behauptete hohe Wirksamkeit der Impfung auf die Übertragung stützten.

Für die Menschen zwischen 20 und 50 Jahren, so meine damalige Aussage, könnte ich keine sichere Position einnehmen. Irgendwo in den Altersgruppen zwischen 20 und 50 Jahren müsste man die Empfehlung ansetzen. Das war vor einem guten Jahr. Unterdessen haben wir nicht nur dazugelernt, auch die epidemiologische Situation hat sich verändert. Somit ist es auch sinnvoll, dass man eine Empfehlung den neuen Erkenntnissen anpasst.

Was hat sich seither geändert?
Sicher, wir haben unterdessen Einiges gelernt: Erstens, dass die Impfung kaum das Übertragungsrisiko senkt. Und zweitens, dass die Impfung nicht vor einer Erkrankung schützt. Und drittens haben wir erfahren, dass unser früheres Fachwissen zum Immunsystem – welch Wunder – auch für Covid-19 zutrifft: Hat das Immunsystem einmal ein neues Virus gesehen (sei es in der Form als Erreger oder Impfstoff), so bildet es ein immunologisches Gedächtnis auf, welches Jahrzehnte anhält. Ja, unterdessen haben es auch die Impfhersteller erkannt, dass eine Impfung eigentlich «nur» den Schweregrad der Erkrankung beeinflusst. Das «nur» setzte ich bewusst in Anführungszeichen. Ich erachte diese Wirkung der Impfung als die Wichtigste. Ich werde weiter unten noch auf das immunologische Gedächtnis zurückkommen. Unterdessen akzeptieren auch die meisten Mediziner, dass die Bedeutung der Antikörper für den Schutz vor Covid-19 gering ist, wie wir das bereits im Buch «Corona-Elefant*» ausführlich dargelegt haben (A. Radbruch, S.148ff, P. Vernazza, S.140ff).

Doch viel wichtiger für die Frage der Impfentscheidung ist die veränderte epidemiologische Lage. Zur Zeit erleben wir immer wieder kleine Ausbrüche von Corona-Erkrankungen. Auch im persönlichen Umfeld sind viele krank und lassen sich – weshalb sollten sie auch – nicht auf Corona testen. Dennoch, in den letzten vier Wochen haben sich gemäss BAG immer noch 206’000 Personen auf Corona testen (fragen Sie mich nicht weshalb, fragen Sie besser wer soll das bezahlen….). Rund ein Viertel der Tests (52‘800) fiel positiv auf. Im gleichen Zeitraum wurden 554 Personen wegen oder mit Covid hospitalisiert. Berücksichtigt man eine Dunkelziffer von rund acht (Tagblatt 30.6.22), werden jetzt noch monatlich rund 400‘000 Menschen infiziert. Mit anderen Worten: Das Virus ist längst in der endemischen Phase angekommen: Beim wiederholten Kontakt erkranken die Personen in der Regel mild. Wenn von 400‘000 infizierten rund 500 hospitalisiert werden mussten, dann entspricht dies noch einer Hospitalisationsrate von knapp einem Promille. Wer jetzt noch Massnahmen zum Schutz der Spitäler fordert, hat die Natur nicht verstanden.

Auch wenn uns gewisse Medien wieder etwas Angst machen wollen (z.B. «Aber immer wieder erinnern {nicht mit Namen genannte} Fachleute daran, dass eine neue gefährliche Variante diese Ruhe im Herbst und Winter stören könnte» Tagblatt 15.9.22); wir bleiben dabei: Die kompetenten Fachpersonen, die ich kenne, sind sich einig: Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Viren plötzlich aggressiver werden sollen (s. Corona-Elefant*, S. 141).

Endemische Phase – (K)ein Wunder der Natur
Dass das Virus in eine endemische Phase gekommen ist, ist keine Überraschung. Betrachten wir den Verlauf der letzten Coronavirus-Pandemie von 1889-90 (Corona-Elefant*, S. 139), so sah man auch dort die Häufung der Todesfälle (auch damals meist ältere Menschen) in «Wellen». Doch nach der dritten Welle war der Schreck vorbei (Abb. aus Berche et al. 2022, Todesfälle Indiana, USA).

Vorschau (öffnet in neuem Tab)

Dass eine gefährliche Virusinfektion plötzlich zu einer milden Erkrankung wird, ist nicht die Folge einer Virusmutation. Es ist Folge einer über Jahrmillionen Jahre aufgebauten Immunabwehr. Unsere zelluläre Abwehr (und nicht die Antikörper, wie viele glauben) baut einen hoch effizienten, langlebigen Schutz auf. Die Abwehrzellen erstellen nach dem Erstkontakt mit dem Virus ein Gedächtnis. Dieses Gedächtnis bleibt grundsätzlich lebenslang bestehen (Radbruch, Nature 2021). Das zelluläre System schützt zwar nicht vor einer erneuten Infektion, aber es erkennt eine infizierte Zelle viel schneller. Nach der Infektion einiger Zellen der Mund-Nasenschleimhaut werden die Gedächtniszellen rasch mobilisiert und zerstören die infizierten Zellen. Damit verhindern sie eine weitere Ausbreitung, insbesondere einen Befall der Lungen.

Das immunologische Gedächtnis – unsere beste Waffe
Tatsächlich verfügt fast jede Person, die einmal geimpft ist oder die Krankheit durchgemacht hat, über eine effiziente zelluläre Abwehr, welche einen schweren Verlauf verhindert. Dies selbst dann, wenn die Antikörpermenge schon deutlich abgefallen ist. Immer wieder wird gesagt, der milde Verlauf der aktuellen Erkrankungen sei die besondere Eigenschaft des Omikron-Stammes, doch daran gibt es gut begründete Zweifel (Sigal Nature 2022). Viel wahrscheinlicher ist es, dass die meisten Menschen durch Impfung oder Infektion bereits eine wirksame Immunität haben. Das BAG schrieb am 24.8.22: Berücksichtigt man auch die Ansteckungen, so dürften inzwischen über 97% der Schweizer Bevölkerung mit dem Virus in Kontakt gekommen sein.

Durchgemachte Infektion viel häufiger als vermutet
Diese Aussage des BAG können wir mit eigenen Daten bestätigen: Wir haben während 9-12 Monaten über 4000 Personen aus vier grossen Betrieben der Ostschweiz wöchentlich mit Covid-Antigentests untersucht. Am Ende der Studie (März 22) haben wir den Mitarbeitern einen Antikörpertest angeboten, mit dem nicht nur Impf-Antikörper nachgewiesen werden konnten, sondern auch spezielle Antikörper, die nur nach einer natürlichen Infektion auftreten. Dabei zeigte sich:  80% der gut 1500 getesteten Personen hatte vor dieser Testung bereits mindestens eine Covid-19 Infektion durchgemacht. Überrascht hat uns aber, dass nur ein Drittel dieser Personen – trotz wöchentlich durchgeführter Testungen – eine Infektion bemerkt hatte. Mit anderen Worten: Der grösste Teil der Personen in dieser Altersgruppe macht eine sehr milde Form einer Infektion durch und es gibt fast niemanden mehr, der noch gar keine Immunantwort, weder durch Impfung noch Erkrankung aufgebaut hat.

Game-Changer: (Fast) jeder hat bereits eine Covid-Erkrankung durchgemacht
Diese Erkenntnis ist nun wirklich ein «Game-Changer». Denn wir wissen schon länger, dass eine durchgemachte Erkrankung besser vor einer schweren Infektion schützt als eine Impfung, selbst das BAG hat dies im Oktober 2021 eingeräumt (Tagblatt). Wenn wir nun davon ausgehen dürfen, dass heute praktisch alle Personen immun sind, ja der grösste Teil sogar eine (besser schützende) natürliche Infektion durchgemacht hat, dann müssten wir uns fragen, weshalb man in dieser Situation dann noch weiterhin Booster-Impfungen anbietet.

Nützt’s nüt – so schadt’s nüt!
…werden vielleicht einige sagen. In der Tat, ein Kollege einer Intensivstation hat mir vor einiger Zeit gesagt, er verstehe nicht, dass sich Personen nicht impfen lassen. Diese Impfung hätte wirklich ein Null-Nebenwirkungs-Risiko! Nun, wenn Laien oder Behördenvertreter das so sehen, kann ich das verstehen. Aber als Fachpersonen müssten wir wissen, dass jede medizinische Massnahme mit Risiken verbunden ist. Und in der Tat, in letzter Zeit häufen sich Hinweise, wonach die Covid-Impfung nicht so harmlos ist, wie oft angenommen.

Potenziell unterschätzte Impfnebenwirkungen
Um nicht auszuufern werde ich im Folgenden lediglich drei Beobachtungen aufzählen, welchen uns mindestens stutzig machen sollten. Wir können vielleicht heute noch nicht mit Sicherheit sagen, dass die hier genannten Vermutungen korrekt sind. Wir behandeln sie im Moment noch als Hypothesen, doch wir werden an dieser Stelle noch ausführlicher darüber berichten. Die drei Phänomene, welche uns Sorgen bereiten, sind:

  • Baby Gap
  • Steigende Übersterblichkeit in 2022 (und allenfalls Myokarditis-Folgen)
  • Höhere Infektionsraten bei geimpften Personen

Unter dem Begriff «Baby Gap» fassen wir Beobachtungen zusammen, wonach seit Beginn dieses Jahres in vielen Ländern die Geburtenrate massiv absinkt (Inside Paradeplatz 22.9.22). Prof. Konstantin Beck hat dazu eine ausführliche statistische Analyse vorgenommen, welche tatsächlich auch in der Schweiz einen historisch einzigartigen Abfall der Geburtenrate dokumentiert (Interview auf Kontrafunk, Berlin, 21.9.21). Vergleicht man jedes Jahr seit 1882 die Abweichungen der Geburtenzahl mit dem Vorjahr, erkennt man das historische Ausmass des Abfalles (Abbildung).  Dazu ergab die Analyse statistische und biologische Argumente, welche einen Kausalzusammenhang zwischen Impfung und dem Abfall der Geburtenrate zwar nicht abschliessend beweisen, aber nahelegen. Wir haben diese Arbeit Swissmedic vorgelegt und warten nun gespannt auf deren Antwort.

Die zweite Beobachtung, eine anhaltende Übersterblichkeit im 2022 ist ebenfalls von grosser Bedeutung. Es betrifft vorwiegend die Altersklasse der über 65-jährigen und wird auch in anderen Ländern beobachtet. Eine Erklärung für die gehäuften Todesfälle könnten Spätfolgen einer Myokarditis (Herzmuskelentzündung) sein. Diese Störung ist eine Autoimmun-Krankheit, welche durch Antikörper gegen das Spike-Protein ausgelöst wird. Wir haben am 9.1.22 auf infekt.ch berichtet. Natürlich geschieht dies sowohl bei der natürlichen Infektion als auch bei der Impfung. Im zitierten Artikel haben wir gezeigt, dass es Hinweise gibt, wonach die Impfung vor allem bei jungen Männern mehr Komplikationen auslöst als nach einer Erkrankung. Wir werden auch diese Zusammenhänge in den folgenden Wochen noch ausführlich diskutieren.

Die dritte Beobachtung stammt aus Island: Hier wurde Zweitinfektionen erfasst und die Autoren beobachteten eine Häufung von Re-Infektionen bei mehrfach Geimpften. In unserem Bericht (infekt.ch, 16.8.22) beschreiben wir eine mögliche Erklärung dieses Phänomens. Tatsächlich hat eine holländische Gruppe schon gezeigt, dass eine mRNA-Impfung die Fähigkeit des angeborenen Immunsystems, Interferon zu bilden, abschwächt. Wir werden diese Hypothese weiter überprüfen.

Bisher nur hypothetischer Zusammenhang mit Impfung
Man kann und soll diese Beobachtungen nicht als Beweis für eine Nebenwirkung aufnehmen. Aber wir müssen sie ernst nehmen. Und man muss bei jeder Impfung mit solchen Nebenwirkungen rechnen, auch wenn wir das Risiko noch nicht genau beziffern können. Dazu kommt, dass die Sicherheit von zusätzlichen «Booster»-Impfungen nie in Studien untersucht wurde. Solange wir also unsicher sind, ob wir es hier mit einer wirklichen Nebenwirkung einer Impfung zu tun haben, sollten wir aber auch eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung machen.

Risiko eines schweren Covid-Verlaufes
Das Risiko einer schwer verlaufenden Covid-Erkrankung ist sicher abhängig vom Alter. Aber viel wichtiger ist heute die Frage, ob die Person bereits eine Covid Erkrankung durchgemacht hat. Da wir das Risiko einer Impfung zwar annehmen können, aber noch nicht mit Sicherheit beweisen können, sollten wir unser Handeln dem ärztlichen Credo unterstellen «Primum non nocere». Primär sollten wir selbst keinen Schaden anrichten. Damit können wir für uns bereits ableiten, dass wir unsere Impfempfehlung nach zwei Fragen ausrichten können:

    1. Hat die Person bereits eine Krankheit durchgemacht (auch mild)
    2. Welches Alter hat die Person

Persönliche Haltung zur (Booster-) Impfung basierende auf diesen Überlegungen:
Inwieweit wir bei bereits geimpften Menschen über 65 Jahren durch eine (Booster-) Impfung mehr Schaden als Nutzen stiften können, ist schwierig einzuschätzen. Ich beschränke mich für die folgenden persönlichen Empfehlungen auf Personen unter 65 Jahre.

  • Noch nicht geimpfte Personen

Bisher keine Covid-19 Erkrankung bewusst durchgemacht
Eine durchgemachte Infektion ist hoch wahrscheinlich (80%), aber dennoch kann eine Impfung ab einem Alter von ca. 40-50 Jahren sinnvoll sein.
Bei Vorliegen einer schweren Immunschwäche ist eine Fachperson zuzuziehen Eine Antikörpertestung könnte Klarheit verschaffen.

Covid bereits durchgemacht
Hier würde ich keine weiteren Impfungen empfehlen, es gibt keine Daten, welche einen zusätzlichen Nutzen zur Verhinderung einer schweren Erkrankung dokumentieren.

  • Personen, die bereits mindestens zweimal geimpft sind.

Personen zwischen 40-65 Jahren
Bisher wurde noch in keiner Studie gezeigt, dass eine zusätzliche Impfung das Risiko einer schweren Verlaufsform bei unter 65-jährigen wirklich senkt. Daher wäre ich auch etwas zurückhaltend mit einer allzu largen Interpretation der neuen Empfehlung zur Auffrischimpfung bei vergleichsweise harmlosen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Schwangerschaft oder dergleichen

Personen unter 40 Jahren
Aufgrund des doch erhöhten Risikos einer schweren Nebenwirkung und insgesamt geringem Komplikationsrisiko einer Erkrankung würde ich von einer erneuten Impfung in dieser Personengruppe abraten

Persönliche Meinung ist keine offizielle Empfehlung
Ich habe hier eine persönliche Meinung zur Notwendigkeit einer Impfung zusammengefasst. Dies ist keine offizielle Empfehlung. Ich schreibe dies nieder, weil ich sehr oft gefragt werde, ob ich eine Booster-Impfung empfehle. Und wie man sieht, die Antwort ist komplexer als ein Satz.

* Der Corona-Elefant, K. Beck, A. Kley, P. Rohner, P. Vernazza (Hrsg.), Versus Verlag, Zürich, 2022.

Zur Erinnerung: Wir freuen uns über ihre Kommentare zur aktiven Diskussionsförderung  (für die Kommentare ist eine Anmeldung erforderlich).