Vorwort

Über das Buch

Die Corona-Krise hat die Schweiz vor enorme gesellschaftliche und politische Herausforderungen gestellt. Anstelle eines Diskurses unterschiedlicher wissenschaftlicher Perspektiven führte die moralische Aufladung der Debatte zur Bildung von Lagern. Die einen befürchten gesundheitlich stets das Schlimmste, finden damit Gehör in den Medien, fordern Interventionen des Staates und liefern ihre Expertise als Begründung für die von der Politik zu ergreifenden Massnahmen.

Andere halten diese Massnahmen für zu wenig evidenzbasiert, unverhältnismässig im Vergleich zu anderen Gefahren oder sogar für kontraproduktiv in der Gesamtwirkung. Sie fordern darum die Abwägungen zu Nutzen und Schaden aus einer ganzheitlichen Perspektive und verlangen die Evaluation der verordneten Massnahmen. Sie finden damit jedoch in den grossen Medien und in der Politik wenig Gehör.

Aufgrund der grossen Tragweite der politischen Entscheide fällt beiden Seiten der Dialog schwer. Darum tut es Not, die kritisch-konstruktive Diskussion wieder zu beleben. Diese Diskussion ist Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie, für eine produktive Wissenschaft und für ein vernünftiges Zusammenleben. Wir meinen, die Wissenschaft sollte den Anfang machen. Dieses Buch will zum konstruktiv-kritischen Diskurs beitragen, im Wissen, dass Wahrheit kein absoluter Begriff darstellt. Darum geht es im Corona-Elefant. Mit dem elephant in the room wird im englischen Sprachraum eine augenfällige Problematik bezeichnet, die von allen Beteiligten lieber nicht angesprochen wird, beispielsweise aus politischer Korrektheit. Zum Zeitpunkt der Drucklegung werden neue kontroverse Forderungen zur Aufhebung der Einschränkungen erhoben. Es scheint, dass dieses Buch in eine Zeit fällt, in der Diskussionen über den Elefanten wieder möglich werden.

Die Herausgeber haben eine Gruppe von Autorinnen und Autoren versammelt, die auf ihren jeweiligen Feldern unterschiedliche Positionen zur Krise vertreten, dies jedoch mit dem Fokus «lessons learned». Es geht also nicht darum, Kritik an den Corona-Massnahmen oder an den Corona-Massnahmen-Kritikern zu üben. Ebenso wenig geht es darum, recht zu behalten oder im Nachhinein recht zu bekommen. In diesem Buch sollen Wege zur besseren Bewältigung der nächsten globalen Herausforderung aufgezeigt werden.

Zahlreiche Personen mit unterschiedlichen Haltungen waren eingeladen, einen Beitrag zu verfassen. Manche befürchteten Nachteile und sagten ab. Wir mussten das mit Bedauern zur Kenntnis nehmen. Bis zum Redaktionsschluss Anfang Januar 2022 haben uns 23 Artikel erreicht. Alle Beiträge wurden von mindestens zwei Experten gegengelesen und liegen nun als Buchkapitel vor. Wir danken den Autoren für die vielen geleisteten Abendstunden und das Einhalten der knappen Terminvorgaben.


Organisation des Buchs

Das Buch ist in fünf Teile gegliedert, welche die wesentlichen Themenfelder des Corona-Komplexes umfassen.

Der Teil Recht & Politik beleuchtet die Problematik des Notstandes, der geltende Normen ausser Kraft setzt und gleichzeitig mit neuen Normen den Notstand überwinden will, was im vorliegenden Fall Auswirkungen auf Rechtsstaat und Demokratie hat. Die Covid-19-Verordnungen änderten sich in kurzer Kadenz und waren oft unverständlich formuliert. Sie steuerten die Adressaten nicht, sondern verunsicherten sie eher. Die Steuerung erfolgte mehr über die öffentliche Kommunikation und die Medien. Die Demokratie nahm ebenfalls Schaden, da das Parlament pausierte, sich zurückhielt und Entscheidungen dem Bundesrat überliess. Eine systematische Betrachtung diktatorischer Staatsformen rundet den ersten Teil ab.

Der Teil Betriebswirtschaft & Management widmet sich den Voraussetzungen die erfüllt sein müssen, damit Politik, Verwaltung und Gesundheitswesen in einer Krise interagieren können. Die Stichworte sind Leadership und Notfallorganisation des Bundes. Diese wurde bereits vor Corona debattiert und das Fehlen einer eingeübten Stabsorganisation wirkte sich sehr stark auf den Verlauf der Krise aus. Es fehlte die Fähigkeit, mit interdisziplinären und kontroversen Teams grosse, komplexe Probleme rasch zu analysieren und zu lösen. Die Folge war einseitige Fixierung auf flächendeckende Eindämmung statt konzentriertem Schutz der Gefährdeten. Ein weiteres organisatorisches Versäumnis war die Untätigkeit angesichts drohender Spital-Engpässe. Diese lieferten über zwei Jahre die Begründung für einschneidende Massnahmen, deren soziale, gesellschaftliche und wirtschaftliche Kollateralschäden uns noch längere Zeit beschäftigen werden. Sind sie im Vornherein genügend bedacht worden?

Der Teil Gesundheit & Prävention bietet generelle medizinische Einsichten zur Epidemiologie von Covid und anderen Virusinfektionen der Atemwege und eine vertiefte Einführung zum Immunsystem. Bei der kritischen Würdigung der Wirksamkeit von Präventionsmassnahmen müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass für viele der getroffenen Massnahmen auch jetzt noch wenig Evidenz vorhanden ist, oder die dokumentierte Wirksamkeit vergleichsweise bescheiden ausfällt.

Der Teil Volkswirtschaft & Statistik verbindet die Fragen von Verhältnismässigkeit, Gefährlichkeit von Virus und Impfung und Bedeutung der Eigenverantwortung mit der Schaden-Nutzen-Analyse der Pandemiepolitik. Beispielsweise gelingt es uns nicht, einen Nettonutzen der Impfung für jüngere Erwachsene nachzuweisen, zumal der gesellschaftliche Nutzen, eine Eindämmung der Verbreitung, nicht mehr gegeben ist, wenn sich heute an einem Tag gleich viele Menschen infizieren wie zu Beginn der Pandemie innert sechs Monaten.

Der Teil Philosophie & Ethik geht auf die grundsätzlichen Fragen rund um Leben und Tod, Freiheit versus Sicherheit, Gesellschaft und Individuum ein, sucht einerseits den grossen Bogen, wenn sie die Entwicklung der Postmoderne beschreibt, liefert andererseits konkrete Entscheidungshilfen beim Einsortieren ethischer Verletzungen und bietet eine historische Einordung der Krise. Bei diesen Themen geht es immer wieder um die Angst vor dem Tod und man fragt sich, ob diese Angst das normale Leben zerstört hat.

Das Philosophieren über Krankheit, Leben und Tod leitet das Buch ein und schliesst es auch ab.


Ziel des Buchs

Ist damit alles gesagt? – Mitnichten. Gerade weil die Corona-Diskussion noch lange anhalten wird, erscheint das Buch im Verbund mit einer Homepage (www.corona-elefant.ch). Bleibt das Buch ein zeitgebundenes Dokument, so ist es der Zweck der Homepage, laufend die neusten, uns wichtig erscheinenden Erkenntnisse zum Thema abrufbereit zu halten.

Das Buch verfolgt das Ziel, dass die Corona-Themen nicht nur als „pro“ und „contra“ erlebt und diskutiert werden. Stattdessen soll eine Diskussion um die besten Ansätze ermöglicht werden. Die intensiven Gespräche untereinander, die gemeinsamen Analysen, die konstruktiven Auseinandersetzungen mit Vertretern aus allen beteiligten Disziplinen, das Ringen um die Inhalte der Beiträge war ein stimulierendes Erlebnis. Die Herausgeber danken den Autorinnen und Autoren, den Lektorinnen, allen Sparringpartnern und dem Verlag Versus für die gute Zusammenarbeit. Der Dank gilt auch dem persönlichen und familiären Umfeld für dessen Geduld, Interesse und die anspornende Kritik.

Zürich, am 26. Januar 2022
Konstantin Beck, Andreas Kley, Peter Rohner, Pietro Vernazza

Der Corona Elefant

Im Buchhandel erhältlich

„Der Corona-Elefant“ wurde am 16. März 22 im Rahmen einer Buchvernissage vorgestellt.
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