Heute hat die NZZ ein Interview von Katharina Fontana mit mir online publiziert (print: 7.3.23). Frau Fontana ist eine grossartige Leistung gelungen: Sie hat aus einem zweistündigen Gespräch einen lesbaren Text gemacht. Bravo und vielen Dank! In der Bildlegende werde ich im online-Link zitiert: „Die Angst war der entscheidende Faktor“.
Im Gespräch hatte ich auch erwähnt, dass ich selbst fast nie TV schaue und auch diese „Bilder aus Bergamo“ nie gesehen habe. Eine gut informierte Kollegin hat mich nun darauf aufmerksam gemacht, was eigentlich der Hintergrund zu diesen Bildern sei und mir den entsprechenden Link auf die BR24 geschickt („Wie eine Foto-Legende entsteht“). Nachdem ich nun auch diesen Hintergrund gelesen habe, bin ich noch entschlossener der Meinung, dass wir dringend eine seriöse Aufarbeitung der Corona-Arbeit in in den Medien, der Politik und auch in der Wissenschaft brauchen.
Für heute bleibe ich nun kurz und überlasse Ihnen die Lektüre der beiden Artikel:
- das NZZ-Interview von heute und
- den Beitrag von Julie Metzdorf vom 13.9.2021 auf BR24.
Wenn Sie den BR24 Beitrag gelesen haben, werden Sie auch verstehen, weshalb ich weiter oben den Text „Bilder aus Bergamo“ kursiv setzte.
PS: Und auch noch das: Dank an die NZZ
Nach der doch fast vernichtenden Rezension unseres Buches „Der Corona-Elefant“ vor fast genau einem Jahr empfand ich die Anfrage der NZZ jetzt als Geste der Wiedergutmachung. Damals hat man uns den schwärzesten Vorwurf gemacht, den man einem Wissenschaftler antun kann, Zitat: „Man nimmt zur Kenntnis und erwähnt, was die eigene Meinung stützt, und ignoriert/verschweigt den Rest“. Vermutlich war der Journalist auch eher von Angst getrieben…
Bild: OpenAI.com
12 Comments
Schade ist die Welt nicht voll von so gradlinigen mutigen Ärzten die weder macht- noch geldgierig sind…oder sollte ich sogar sagen „Menschen“ generell, nicht nur Ärzte! Ich lese Infekt.ch seit der 1. Stunde und es hat mich auch etwas über die schlimme Zeit getragen! Sie haben mir sogar zu Beginn einmal zurück geschrieben, das hat mich sehr gefreut und stolz gemacht – herzlichen Dank für s Teilen ihres Wissens mit uns, alles Liebe und Gute K. Wipf
Vielen Dank für diese motivierenden Worte. Ich würde nicht ruhig schreiben können, hätte ich nicht immer wieder kluge Leser, die mich mit weitergehenden Fragen stimulieren und weiter denken lassen.
Dieses Interview spricht für sich, da Forderungen auf den Tisch kommen, die schon lange eingelöst werden müssten: 1. Aufarbeitung der Krise, 2. keine Reinwaschung des BAGs durch das BAG, 3. Folgen eines fehlenden Diskurses, 4. fehlende Informationen über medizinische Massnahmen neben der Impkampagne, 5. falsche Impfempfehlungen für Jugendliche und Kinder, 6. zu lange Lockdowns, 6. selbstkritischer Rückblick.
Dass die NZZ sich durch ein solches Interview selber korrigiert, spricht für das Blatt.
Und der Grund für die vielen Infektionen in der Risikogruppe: „auch Corona-Kranke mit leichten Symptomen drängten in die Spitäler. Auch darum waren die Spital-Kapazitäten in der Lombardei bald einmal erschöpft. […] Leider hat man in Altersheimen Covid-Patienten und betagte Bewohner vermischt.“
https://www.srf.ch/news/international/corona-hotspot-norditalien-deshalb-starben-in-der-lombardei-so-viele-menschen
Bzw. „Die Fünf-Sterne-Bewegung kritisierte die Entscheidung der Region, die Krankenhäuser zu entlasten, indem COVID-19-Patienten in Alterseinrichtungen geschickt worden seien.“
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/111814/Coronakrise-Trump-stellt-WHO-an-den-Pranger oder
https://www.welt.de/vermischtes/article207130627/Italien-Kliniken-wird-Verdeckung-von-Corona-Faellen-vorgeworfen.html
Marcel Tanner könnte uns mal erklären, was er seinen Public Health Studenten über viele Jahre beigebracht hat, was am Anfang einer Pandemie beim ersten Ausbruch getan werden muss… Richtig, ins Epi-Zentrum fahren und hinschauen, wie es soweit kommen konnte. Und dann bemerken, dass das italienische Gesundheitssystem so marrode ist, dass es jedes Jahr zur Grippesaison überlastet ist. Und dann bemerken, dass Infektiöse Personen in die Altersheime geschickt wurden, statt zu Hause zu bleiben.
Aber König Berset am 17.3.2021 „Das erste Mal seit langer Zeit war es möglich, dass sehr gute Spitalsysteme in umliegenden Ländern überlastet worden sind. Wenn es so harmlos wäre, man hätte in Norditalien nie eine Überlastung des Spitalsystems erlebt. Und Norditalien, das gilt als eines der besten Spitalsysteme der Welt. Und plötzlich gab es diese Triagekriterien die bis auf etwa 60 Jahre gegangen ist.“
https://www.srf.ch/play/tv/redirect/detail/cf5b9a4e-1b66-49e3-8824-f1ac1e5ca36f?startTime=24
„seit … öhm … sehr lang“, genau das ist das Wissen unseres Gesundheitsministers. Also eigentlich ist es der absolute Normalfall, dass Norditaliens Gesundheitssystem bei jeder Schnupfenwelle überlastet ist. Und dass auch unser Gesundheitssystem vor dem Kollaps steht, das ist auch schon lange bekannt. Oder wie es meine anverheiratete Lieblingskrankenschwester sagt: „Ganzheitliche Pflege war gestern, heute gibt es nur noch funktionale Pflege“. Wir hatte nie eine wirkliche Gesundheitskrise, sondern immer nur eine gesundheitspolitische Krise.
Ich glaube jedem, der die Wahrheit sucht. Ich glaube keinem der sie gefunden hat.“ Kurt Tucholsky…..
Lieber Herr Vernazza
Das ist ein Zitat , welches heute noch , meines Erachtens , größte Bedeutung hat.
Wird doch immer wieder mit Angst die Welt regiert.
Das einzig wahre an der Geschichte ist , dass der Mensch nie aus der Geschichte lernt….leider.
Ich bin mit meinen Gedanken tief mit ihrer Arbeit verbunden.
Herzlichen Dank dafür
Urs Stadelmann
Guten Morgen Herr Vernazza
Ein Interview mit Foto auf der Titelseite der NZZ! Das ist – nach fast drei Jahren spät – aber richtig und wichtig. Es freut uns sehr, dass Sie eine Stimme erhalten haben. Während der Pandemie hat sich das BAG und die Regierung (Bund und Kantone) fast nur auf die WissenschaftlerInnen aus dem universitären Forschungsumfeld gesetzt und das Fachwissen der PraktikerInnen sträflich vernachlässigt. Warum das so ist (bzw gewesen ist), müsste ein Teil einer seriösen Aufarbeitung des Pandemie-Management sein.
Zu Bergamo gibt es noch eine andere Erzählung. Eine, die kaum aufgetaucht, wieder verschwunden ist. Bereits im März 2020 sind wir in unserer Gruppe auf einen Brief von zehn Ärzten (alles Männer) aus Bergamo gestossen. Sie arbeiteten alle im Ospedale Papa Giovanni XXIII von Bergamo und veröffentlichten, mitten aus dem Epizentrum, überarbeitet, erschöpft und emotional ausgebrannt, einen Artikel in medizinischen Fachzeitschriften. Die Hauptaussage war: Das Virus ist nicht besonders tödlich, aber hoch ansteckend. Diese Aussage bedeutet keineswegs, dass keine Massnahmen nötig gewesen wären. Sie machen im Artikel auch Vorschläge, wie die Gesundheitsversorgung umgebaut werden muss, um besser auf eine Epidemie vorbereitet zu sein. Hätte man auf diese Praktiker gehört, die tagtäglich PatientInnen behandelten, beobachteten, sich austauschten und versuchten die Lage zu analysieren, wäre das Ausmass der Panik kleiner gewesen und die schwerwiegenden Kollateralschäden von falschen und unverhältnismässigen Massnahmen, unter denen heute sehr viele Menschen leiden, hätten vermieden werden können.
Die Aussage der Ärzte aus Bergamo hat uns zwei Jahre lang begleitet und uns u.a. immer wieder motiviert die von der dominanten Wissenschaft verbreiteten Prognosen und Fakten zu hinterfragen und zu überprüfen. Einschätzungen und Beurteilungen von in der Praxis wissenschaftlich tätigen Fachleuten wie zum Beispiel Sie, haben unser Schlussfolgerungen oft bestätigt.
Den Artikel der Ärzte aus Bergamo finden Sie auf italienisch hier: https://www.saluteinternazionale.info/2020/03/noi-medici-di-bergamo/
und hier auf englisch:
NEJM New England Journal of Medicine https://catalyst.nejm.org/doi/full/10.1056/CAT.20.0080
Freundliche Grüsse
Kollektiv Feministischer Lookdown
Als in Milano lebender Auslandsschweizer könnte ich zu diesem Thema viel beitragen. Ich beschränke mich darauf, das von anderen Leserinnen und Lesern bereits geschriebene um ein paar Informationen über unseren damaligen Alltag zu ergänzen. Wir waren (vom 8. März bis Mitte Mai) unter Hausarrest, wobei das leider keine polemische Ueberspitzung ist. Das Verlassen der eigenen Wohnung war bei Strafandrohung verboten, ausser zum Einkaufen, aus medizinischen Gründen (eben um ins Spital zu kommen) oder zum Arbeiten für die, die nicht im „Homeoffice“ waren. Was nicht nur zu der paradoxen Situation führte, dass Hunde (für die es eine Ausnahme fürs Gassigehen gab) mehr Rechte hatten als Kinder (die gar nicht aus dem Haus durfen), sondern eben auch dazu, dass viele Menschen vom Tod ihrer betagten Angehörigen gar nicht erfuhren bzw. wenn sich dann nicht um die Beerdigung kümmern konnten (oder wollten, weil ihnen ja das Hinfahren verboten war). Weshalb in manchen Städten, darunter Bergamo, der Staat diese Leichen einäschern liess (die Einäscherung wurde angeordnet, weil behauptet würde, die Toten seien post mortem noch ansteckend…) und zum Abtransport dann eben noch Militärlaster einsetzte. Nichts anderes sind die „Bilder von Bergamo“: eine Folge der Massnahmen und nicht des Virus. Einen Grippe-Pandemieplan hätte Italien übrigens gehabt, ihn aber leider seit 2006 nie à jour gebracht, wie der couragierte italienische WHO-Mitarbeiter Francesco Zambon schon im Frühsommer 2020 zu seinem eigenen Entsetzen herausfand (und mit grossem Mut öffentlich machte, wer Italienisch kann lese sein 2021 bei Feltrinelli erschienenes Buch „Il pesce piccolo“). Dafür will die Staatsanwaltschaft Bergamo jetzt, drei Jahre später, drei ehemalige Gesundheitsminister vor Gericht stellen, man darf gespannt sein, ob es zu diesem Prozess wirklich kommen wird. Dass die Masse der damaligen Todesfälle in der Hauptrisikogruppe der Betagten auf nosokomiale Infektionen zurückgeht, ist mir von vielen Aerzten in Mailand bestätigt worden, und die desolaten Zustände in den Spitälern der Lombardei waren schon seit der Grippewelle von 2017-2018 bekannt. Die Herren Berset, Cassis & Co. hätten das alles selbstverständlich wissen können, wir haben schliesslich diplomatische Vertretungen in Italien und auch ein Konsulat in Mailand (das mich übrigens angesichts der Grenzschliessung gut beraten und nicht im Stich gelassen hat), aber offenbar haben sie ihre Informationen lieber aus dem italienischen Fernsehen bezogen. Die kritische Aufarbeitung der „Corona-Angstmaschine“ ist sicher erst am Anfang, und ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass Sie dazu beitragen.
Vielen Dank für diese interssanten Einblicke aus dem „Epizentrum“.
Vielen Dank für Ihre Arbeit.Besonders schätze ich die Quellenangaben, noch einmal vielen Dank für diese Arbeit.Wenn die Maßnahmen,die sich um das Auftauchen dieser Variante des Virus mit Emotionen installiert werden konnten, freut mich Ihre emotionsfreie Arbeit besonders.
Ich habe es gelernt, so naturwissenschaftlerich zu arbeiten.Dies ist mittlerweile selten .
vielen Dank. Ja, ich vermisse in den Medien oft die Referenzen!
Lieber Herr Vernazza
Von Beginn weg habe ich Ihre Artikel und Ihre Aussagen verfolgt und mit Interesse gelesen. Ich bin sehr froh, dass Sie immer noch am Ball bleiben und versuchen, die Aufarbeitung in Gang zu bringen. Die ganze Corona-Zeit und ihre Massnahmen, haben mich in meinen Grundfesten von Vertrauen in Wissenschaft, Pharma und Politik dermassen erschüttert, dass ich wirklich schockiert bin.
Ich begegne allen Artikeln in renommierten medizinischen Fachjournalen sowie Entscheidungen von unseren gewählten, sogenannten Volksvertretern mit grossem Misstrauen und beginne alles zu hinterfragen. Denn das, was ich im Pharmaziestudium gelernt habe, wurde in den letzten 3 Jahren mit Füssen getreten, ebenso meine demokratischen Menschenrechte und meinen Glauben an Gerechtigkeit und Recht!
Danke, dass Sie weiter machen und hoffentlich irgendwann Gehör finden werden. Ich warte auf die Aufarbeitung und eine Entschuldigung der Entscheidungsträger, die uns in diese Misere manövriert und massenweise Steuergelder verschleudert haben. Gelder, die viel gescheiter hätten eingesetzt werden können, ohne Ungeimpfte und Kritische dermassen auszugrenzen.
Danke und weiterhin viel Durchhaltevermögen! Schön, dass es noch Mediziner wie Sie gibt!
Danke, Frau Studer, für dieses aufstellende Feedback.
Wenn ich von gewissen TA-Journalisten Tweets lese, wie zum Beispiel, „Vernazza erzählt Stuss“ oder „dieser Pseudoarzt“, dann bin ich froh wieder zu sehen, dass nicht alle so denken wie dieser Herr.
herzliche Grüsse